Datenschutz für Kinder – auch Eltern in der Pflicht!
Ein Blick ins Kinderzimmer, der sollte Eltern, Freunden und Spielkameraden vorbehalten bleiben. Und die meisten Heranwachsenden sind durchaus scheu, wenn es um ihre Privatsphäre geht und lassen Mutter und Vater kaum oder nur unwillig in ihren ganz privaten Lebensraum. Rasch wird dies, oft in vorausschauender Erwartung einer elterlichen Bemerkung oder gar Ermahnung, als Eindringen verwehrt.
Umso verwunderlicher, dass Plattformen wir Snapchat, Instagram oder Onlinespiele mit großem Erfolg gerade dort ihr größtes Potential finden: Im Lebensraum der Kids und Teenager. Jeder kann im Web digital einen Kanal öffnen und mit Notebook inkl. Webcam, Tablet oder Smartphone anderen Einblick geben. Und das ganz ohne Alters-Check, denn zur Anmeldung genügt oft nur ein Facebook, Twitter oder Google+-Account. Zusehen kann man meistens anonym oder pseudonym, was den Verdacht bestärkt, dass im Publikum Platz für Unerwünschte ist.
So ist es kein Wunder, dass fast 85 Prozent der Erwachsenen einen verschärften Jugendmedienschutz fordern. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Deutschen Jugendinstituts (DJI) bei der 4690 Mütter und 3089 Väter in Deutschland zu ihrer Einschätzung des Jugendmedienschutzes in Deutschland befragt wurden (Grobbin, 2016). Dabei sehen sich die Eltern von jungen Kindern noch weitestgehend in der Lage diese vor Risiken im digitalen Raum zu schützen (vgl. Rüdiger, 2015). Je älter die Kinder aber werden umso mehr wünschen sich die Eltern das die Betreiber und der Staat eine größere Verantwortung beim Schutz der Kinder vor Risiken einnehmen (Grobbin, 2016). Diese Entwicklung geht auch einher mit der Verlagerung der Risiken von eher statischen Phänomenen – wie gewalthaltigen Programmen – hin zu den Interaktions- und Kommunikationsrisiken. Aus der genannten Studie lässt sich dieser Trend ebenfalls ablesen. So sahen nur zwei Prozent der Eltern von Grundschulkindern den Kontakt zu Unbekannten im digitalen Raum als ein Problem, aber bereits 13 Prozent der Eltern von weiterführenden Schulen, ähnlich sieht dies auch bei beleidigenden oder verletzenden Aussagen im Verhältnis von 2 zu 16 Prozent aus (ebd., S. 40).
Die Ergebnisse dieser Studie sind dabei nicht verwunderlich, sondern vielmehr eine logische Reaktion auf eine Situation in der Kinder – insbesondere durch die Etablierung von Smartphones – immer früher mit dem digitalen Raum konfrontiert werden, Eltern sich aber häufig nicht in der Lage sehen die Kinder in dieser Welt der sog. Sozialen Medien vor Risiken effektiv zu schützen. Die Gesellschaft hat zudem eine Diskussion über die Regelung des Miteinanders in diesem digitalen Raum weitestgehend vernachlässigt. Dies zeigt sich auch am Regelungsgehalt des deutschen Jugendmedienschutzes. Dieser soll in seiner gegenwärtigen Form letztlich Kinder nur vor einem gemutmaßten negativen Einfluss der Medien schützen. Nicht aber beispielsweise vor Straftätern in den jeweiligen Programmen. Dies zeigt sich u.a. an den Altersempfehlungen für die beliebteste Form Sozialer Medien bei Kindern – den Computerspielen. Konkret gesagt machen wir uns dabei einen Kopf das ein Kind keine nackte Brust z.B. in einem Spiel sieht, aber nicht ob in demselben Programm ein Extremist oder Sexualtäter mit dem Kind zusammenspielt (zur Kritik vgl. Rüdiger, 2016). Daher kann ein Programm eine Altersempfehlung ab 0 oder 6 Jahren erhalten obwohl das Kind in dem Spiel mit unbekannten Erwachsenen und Jugendlichen in Kontakt kommen kann.
Dass in der Konfrontation von naiven Kindern mit überlegenen Erwachsenen ein immenses Gefahrenpotential liegt, wird keiner bezweifeln. Ein großer Gefährdungsmoment liegt also schon einmal darin, dass nicht nur nach unten, sondern auch nach oben Altersfreiheit besteht, Altersgruppen wild gemischt sind und sich überhaupt nicht zu erkennen geben. Wir lassen zu, dass im digitalen Raum Personen jeglichen Alters – also auch Kinder und Erwachsene – weitestgehend unkontrolliert aufeinander treffen, miteinander interagieren und kommunizieren. Die daraus resultierenden Risiken wie z.B. Cybergrooming oder Cybermobbing aber auch der Kontakt mit Extremisten sind für Eltern kaum noch zu begegnen.
Gleichzeitig scheint es aber auch so, dass viele das Gefühl haben das Internet sei ein rechtsfreier Raum. Ein rechtsfreier Raum würde bedeuten, dass Recht gar nicht gelte. Dies kann so nicht im Netz angenommen werden, wie auch immer wieder medial dargestellte Ermittlungshandlungen z.B. gegen Hatespeech zeigen (Meisner, 2016).
Es kommt aber vielmehr darauf an wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist für eine Straftat im digitalen Raum belangt zu werden – und diese Wahrscheinlichkeit kann in allen Deliktsbereichen als sehr gering eingestuft werden. Beispielhaft sprechen Dunkelfeldstudien davon, dass annähernd jedes zweite Kind eine sexuelle Belästigung im Netz erlebt – wir sprechen hier also von Millionen Betroffenen -, aber nur ca. 2.000 Anzeigen in Bezug auf dieses Delikt wurden im Jahr 2015 bei der Polizei registriert (Rüdiger, 2016). Eine immense Diskrepanz die die Strafverfolgungswahrscheinlichkeit für einen Täter mehr als gering erscheinen lässt.
Dadurch, dass Kinder auf Sendung gehen, dringen Menschen in die privatesten Lebensbereiche ein, denn schließlich sind Arbeits- und Schlafbereich für die meisten jungen Menschen identisch. Wie – fragt man sich – lassen sich die fremden Stimmen später aus dem Schlafzimmer verdrängen, wie wieder die Sicherheit der eigenen vier Wände herstellen, wenn man sich hier einmal von aller Welt beobachten ließ. Vor allem aber müssen wir uns fragen: Wem kann unser Kind dann davon erzählen, sagen, was geschehen, was es angestellt hat, dass es dem bösen Wolf die Tür öffnete, der mit zuckersüßer Stimme und weißer Pfote um Einlass gebeten hat.
Die Ängste vor Verrat und die Unaussprechlichkeit der Situation können kommen und auf unseren Kindern lasten, ganz ohne dass eine Straftat erforderlich wäre.
Ein Problem dabei ist auch die geringe sichtbare Präsenz von Sicherheitsbehörden im digitalen Raum. Ein Hinweis den Eltern ihren Kindern für den Straßenverkehr traditionell mitgeben ist der, wenn irgendetwas passiert kannst du immer auch die Polizei ansprechen. Eine vergleichbare Aussage ist im digitalen Raum so leider nicht möglich. Dies ist auch wenig verwunderlich, die Sicherheitsbehörden in Deutschland beginnen sich ggf. erst zaghaft in diesem digitalen Raum zu verorten, obwohl die Bürger eine vermehrte digitale Polizeipräsenz wünschen (Klein, 2015). Ein individueller Polizeibeamter der sichtbar und erkennbar – somit ansprechbar – als solcher eine digitale Streife – z.B. in Kinderchats – läuft, ist eine absolute Zukunftsvision. Die Sicherheitsbehörden versuchen gegenwärtig nur eine ähnliche Form der Sicherheit im digitalen Raum wie im physischen Raum herzustellen, aber noch nicht weiterführende Konzepte aufzubauen. Warum sollten Kinder bei einer als problematisch empfundenen Situation – z.B. bei einer belastenden Chatkommunikation mit einem Unbekannten – z.B. nicht auf Knopfdruck eine Sicherheitsbehörde zuschalten können?
Und wenn es nicht Sicherheitsbehörden sind, warum nicht eine Art digitalen Bodyguard der den Kindern auf Wunsch auch digital zur Verfügung steht? Nur wenn wir mit unseren Kindern reden und sie uns alles erzählen können (aber nicht müssen), machen wir den Raum für multimediale Selbstgespräche so eng wie möglich. Ausschließen lassen sie sich nicht. Das ist klar. Aber das gilt auch für andere Gefahren des Lebens. Und manchmal, wenn wir im Zweifel sind, wenn wir uns nicht mehr zu helfen wissen, dann ist es gut, mutig zu sein und um Hilfe zu fragen. Und genau dafür gibt es doch die auch die Polzei!